Scheuchzer, Johannes an Bernoulli, Johann I (1716.02.09)

Aus Bernoulli Wiki
Version vom 9. Juli 2015, 14:22 Uhr von Maintenance script (Diskussion) (Importing text file)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen


Briefseite   Briefseite  


Kurzinformationen zum Brief       mehr ...
Autor Scheuchzer, Johannes, 1684-1738
Empfänger Bernoulli, Johann I, 1667-1748
Ort Zürich
Datum 1716.02.09
Briefwechsel Bernoulli, Johann I (1667-1748)
Signatur Basel UB, Handschriften. SIGN: L Ia 668, Nr. 81*
Fussnote



File icon.gif Viro Excellentissimo, Fautori Honoratissimo

D.o Iohanni Bernoullio

S. P. D.

Johannes Scheuchzerus.

Silui hactenus, ut expectarem eventum negotij cum Rhaetis a Veneta Rep. suscepti, sed expectavi hactenus irrito cum successu, En tamen rei totius statum. Ante dies quatuor profectus hinc in Rhaetiam est Reip.ae Venetae Legatus Ampliss.us ut rem totam ad umbilicum ut ajunt perduceret,[1] commendavi negotium Mejero ut in antecessum cum D.o De Salis de eo agat, quod sine omni dubio faciet, expecto hinc responsum, quod ubi advolarit, communicabo, interim non dubito, quin filius Tuus,[2] quem officiose salutatum velim, optimam Venetias commode proficiscendi occasionem nacturus sit.[3] Interim si quod studium pro commodo Tuo impenderim, pro eo rogo ne gratias agas, utpote quod omne hucusque non excurrit, ut animo et propensioni meae satisfaciat. Hinc ex quo negotiatio Veneta cum Tigurinis suscepta in fumum abijt,[4] me tenet statio onerosa valde, et apud alios quam nostrates honorifica; miraberis quid monstri alat haec tam subita promotio: in Bibliothecarium Tigurinum electus temporis omnis dispendium lugeo,[5] omnis interim stipendij aut reditus spe frustratus, in id unice natus ut commodo publico, sine sustentationis ullius modo inserviam: id quod lubenter tamen praesto, File icon.gif ut vel meo eoque perpetuo veluti Exemplo, alios ad bene agendum excitem, si quidem excitari possunt ij, qui Lethargo correpti publicae miseriae et corruptionis fulcra sunt. Nuperis diebus Curiam exercuit nostram Scholae nostrae miseria, decretum unanimi est consensu, ut morbo quam promptissime medela adhibeatur, consulent hodie Ecclesiae Scholaeque moderatores, lenta ut mihi videtur remedia adhibere volentes;[6] video Marasmum, et video curam ejus effectumque tristem, qui semper cunctando nascetur. Interim ego, si quid tempusculi superest studio mathematico consecro: Incidi in quaedam quae me desiderare faciunt Wallisij Mechanicam,[7] quam apud Agnatum Tuum[8], cui quaeso devota mea obsequia, vidi, in 4.o; huncce Tomum si Te intercessore per duas circiter septimanas obtinere possem maximopere me obstrictum et Tibi et illi redderes, illaesum eum statim remitterem, hunc etiam in finem ad eundem Literas dare constitui. Hisce, postquam Lectissimam conjugem totamque familiam meo nomine obsequiosissime salutaveris, Vale et mihi porro favere perge.

Dabam raptim Tiguri a. d. 9. Febr. 1716.


Fussnoten

  1. Es geht um ein Söldner-Gesuch der Republik Venedig an die Bündner. Anlass hierzu gab der Angriff der Türken auf die unter venezianischer Herrschaft stehende Peloponnes.
  2. Nicolaus II Bernoulli (1695-1726).
  3. Pietro Antonio Michelotti hatte Johann I Bernoulli in seinem Brief von 1715.12.05 angeboten, dessen Sohn Nicolaus II Bernoulli in Venedig als Gast bei sich aufzunehmen, wenn er als Gegenleistung für die ihm offerierte Unterkunft und Verpflegung die Schriften seines Vaters Johann I Bernoulli erklärte. Scheuchzer hatte Bernoulli in seinem Brief von 1716.01.12 vorgeschlagen, Nicolaus II für die Reise nach Venedig in die Obhut seines Freundes Peter von Salis zu geben, der die Bündner Truppen dorthin führen sollte.
  4. Venedig hatte auch an die Zürcher ein Söldner-Gesuch gestellt. Vgl. hierzu den Brief von Johannes Scheuchzer an Johann I Bernoulli von 1715.12.29.
  5. Johannes Scheuchzer, der sich im In- und Ausland bislang vergeblich um verschiedene Stellen beworben hatte, nimmt die ehrenamtliche Stelle eines Bibliothekars der Bürgerbibliothek Zürich an, mit der Hoffnung, später mit einer bezahlten Stelle belohnt zu werden. Die Stelle war in der Stadt zwar hoch angesehen, sie wurde jedoch nicht entlöhnt und erforderte einen hohen Zeitaufwand. Scheuchzer beschreibt die Arbeit als zeitraubend und unbefriedigend (Brief von 1716.03.01). Mehrmals stand er davor, das Amt aufzugeben. Im Januar 1719 kündigte er seine Stelle aus Frust über seinen Misserfolg bei der Bewerbung um den Lehrstuhl der Botanik in Padua (siehe den Brief von 1719.01.29). Die Entscheidung über den Rücktritt Scheuchzers wurde daraufhin auf die Anfang Mai geplante Generalversammlung der Bibliothek verschoben, an der auch die "Standeshäupter" d. h. die wichtigsten Vertreter der Regierung, teilnehmen sollten. Scheuchzer legte ihnen in einer kurzen Rede seine Situation dar und erhielt daraufhin die Zusicherung, dass man sich beim Senat dafür starkmachen würde, Scheuchzer als Entschädigung für die Arbeit als Bibliothekar eine bezahlte Stelle zu besorgen. Scheuchzer rechnete mit einer Berufung auf den in Zürich vakanten Lehrstuhl für vaterländische Geschichte (siehe den Brief von 1719.03.19). Als Johann Balthasar Bullinger (1690-1764) die Professorenstelle erhielt und Scheuchzer sich erneut übergangen sah, reichte er die Kündigung seiner Stelle als Bibliothekar direkt beim Bürgermeister Escher ein (siehe den Brief von 1720.09.07), der die Angelegenheit erneut an das Collegium und an die Curatoren der Bibliothek weiterleitete. Diese versuchten erneut, Scheuchzer zurückzuhalten (siehe den Brief von 1720.10.30) und vertagten die Entscheidung. Inzwischen zeichnete sich für Scheuchzer die Möglichkeit ab, sich für die Stelle als Landschreiber der Grafschaft Baden zu bewerben, weshalb er einwilligte, in der Zwischenzeit weiterhin für die Bürgerbibliothek zu arbeiten (siehe den Brief von 1720.12.08). Die Anstellung endete wohl 1723, als Scheuchzer auf das Amt des Landschreibers gewählt wurde. Während seiner Amtszeit als Bibliothekar systematisierte Scheuchzer die Bibliothek. Seit Juli 1720 arbeitete er an einem detaillierten Handschriftenkatalog, dem Catalogus manuscriptorum Bibliothecae civicae Tigurinae, der auch als Waserscher Katalog bekannt ist (siehe den Brief von 1720.07.28). Eine handschriftliche Kopie dieses 2 Bände bzw. 837 fo. umfassenden Werkes findet sich in ZB Zürich, Kat. St 377, 378, beschrieben in Steiger Verzeichnis, p. 22, wo das Werk jedoch irrtümlicherweise Johann Jakob Scheuchzer zugeschrieben wird. In seinem Brief von 1721.07.13 berichtet Scheuchzer von seiner Arbeit an einem Gesamtkatalog der Bibliothek, dessen Vorbereitung die ganze Arbeitskraft Scheuchzers in Anspruch nahm. Zu Scheuchzers Arbeit als Bibliothekar siehe auch Vögelin, Salomon, Geschichte der Wasserkirche und der Stadtbibliothek in Zürich, Zürich 1848, p. 83.
  6. Am 1. Februar 1716 beschloss der Grosse Rat, dass die im Januar 1715 speziell dafür gegründete 16-köpfige Schulkommission die für längere Zeit unterbrochene Arbeit an einer Schulreform wieder aufnehmen und unter der Führung des konservativen Bürgermeisters David Holzhalb (1652-1719) abschliessen sollte. In mehreren Sitzungen – die letzte fand am 29. März statt – wurde die neue Schulordnung festgelegt. Da diese sich jedoch nicht wesentlich von der alten unterschied, kann diese Reform als weitgehend gescheitert betrachtet werden. Siehe Haag, Friedrich, Die Entstehung der Züricher Schulordnung von 1716 und ihr Schicksal bis auf Pestalozzis Zeit, in: Beihefte zu den Mitteilungen der Gesellschaft für deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte 20 (1910), pp. 18-19.
  7. Wallis, John, Mechanica sive De motu, tractatus geometricus ..., 2 voll., Londini (W. Godbid) 1670-1671.
  8. Nicolaus I Bernoulli (1687-1759).


Zurück zur gesamten Korrespondenz